Wat Pa Tam Wua

Irgendwann in Malaysia haben wir den Beschluss gefasst, unbedingt ein buddhistisches Kloster besuchen zu wollen und uns für ein paar Tage der Ruhe und der Meditation zu widmen. Als es nun soweit ist, melden sich dann doch leichte Zweifel – fünf Nächte können sicher eine lange Zeit werden, besonders wenn jeden Tag viele Stunden Meditation anstehen. Und der Tagesplan sieht extrem straff aus und dann nur zwei Mahlzeiten am Tag…. Um das Ende vorweg zu nehmen – es war eine großartige Erfahrung!! Und natürlich haben wir die fünf Nächte locker durchgehalten. Bei der Rückfahrt nehmen wir uns fest vor, dass dies nicht unser letzter Kloster-/Meditationsaufenthalt gewesen sein soll.

Nach stundenlangem Serpentinen-Fahren hält unser Minibus an einem der schönsten Orte, die wir bislang auf unserer Reise gesehen haben. Die Sonne scheint, die Luft im Hochland Thailands ist angenehm frisch, alles ist grün und eine schmale Straße führt vom Hauptweg ab in Richtung Kloster, das umgeben ist von schroffen Felsen und steil in den Himmel ragender Berge.

Ein Mönch im Kloster antwortete auf eine Frage aus der Runde, wie der Ort denn wohl aussähe, an dem man sich zwischen Tod und Reinkarnation aufhält: Man wisse das nicht genau, aber es solle wohl eine Hütte auf einer wunderschönen, großen und ruhigen Lichtung sein, auf der einzelne Bäume mit quadratischen Blättern wüchsen und die von Bergen und Wäldern umgeben sei.
Das ist ebenfalls eine wunderbare und sehr passende Beschreibung für das Kloster Wat Pa Tam Wua! Genauso sieht es hier jedenfalls aus – bis auf die quadratischen Blätter natürlich 😉

Am Eingang werden wir von anderen Klosterbesuchern in Empfang genommen, die sich freiwillig um die Begrüßung der neuen Gäste kümmern. Jeder trägt hier seinen Teil zum Zusammenleben bei – sei es durch Gartenarbeit, Unterstützung bei der Essenszubereitung oder, sofern man etwas länger bleibt, durch die Übernahme komplexerer Aufgaben wie das Einführen neuer Besucher. Nach einer unkomplizierten Anmeldung und einem Coronatest bekommen wir weiße bzw. fliederfarbene Kleidung, eine hauchdünne Schlafmatte sowie Decke und einen Schlafplatz in einem geschlechtergetrennten Dorm zugewiesen. Die Kleidung erinnert stark an jenes Outfit, was man sich als stereotype Kleidung einer psychiatrischen Einrichtung in Filmen vorstellt. Da hier aber alle so rumlaufen, fällt einem das vor Ort überhaupt nicht so auf und irgendwie ist der Schlabberlook auch ganz bequem 😀

Während Verena sich einen freien Bodenplatz im Schlafhaus der Frauen aussuchen darf, ergattere ich sogar noch ein “Bett” im 6er-Zimmer des Herren-Schlafhauses. Es sind hier einfach weniger Männer als Frauen, sodass die Platzsituation bei uns etwas entspannter ist. Aber auch mein Bett ist nur eine einfache Holzkonstruktion, mit nur wenig mehr Komfort als ein Platz auf dem Holzfußboden. Unsere Bettwäsche besteht aus einer dünnen Matte, einer Unterlegdecke und einer Bettdecke, die nur teilweise in der Lage ist, vor den nachts deutlich absinkenden Temperaturen zu schützen.

Klingt auf den ersten Blick nicht so toll, passt aber doch sehr gut zu diesem Ort und war unterm Strich ein wichtiger Teil der Gesamterfahrung. Bei Bedarf hätte man natürlich auch noch weitere Decken bekommen – es musste keiner frieren 🙂 Neben den Schlafsälen gibt es auch rund zwei Dutzend Einzel-Kutis (Wohn-Hütten), die man theoretisch mit etwas Glück ergattern kann, die aber ähnlich spartanisch ausgestattet sind wie unsere Dorms, auch wenn sie zumindest etwas mehr Privatsphäre bieten.

Und so sieht unser Tagesplan im Kloster aus

5:00 Uhr Aufstehen und eigenständige Morgenmeditation im Schlafbereich – theoretisch zumindest. Das ist der einzige Punkt auf dem Tagesplan, bei dem eine sehr flexible Auslegung allgemein akzeptiert wird 😉 Wir umgehen das persönliche Dilemma, indem wir uns mit ein paar anderen Freiwilligen zu dieser Zeit im Küchen-Pavillon einfinden und den offiziellen Küchenmitarbeitern beim Gemüseschneiden für Frühstück und Mittagessen helfen. Danach bleibt noch genug Zeit für einen Kaffee (und ab und an eine kleine süße Belohnung fürs Helfen :))

6:30Uhr Traditionelles Rice-Offering. Da die buddhistischen Mönche nur das essen, was Sie geschenkt bekommen, füllen die “Klosterschüler” nacheinander die Schüsseln der Mönche mit je einem Löffel Reis. Normalerweise gehen die Mönche um diese Uhrzeit durch Städte und Dörfer, wo die einheimische Bevölkerung aus Respekt und zur Verbesserung des eigenen Karmas den Mönchen gerne eine Essens-Spende überreicht. Das lässt sich übrigens fast überall, auch in großen Städten wie Bangkok oder Chiang Mai beobachten, sofern man früh genug auf den Straßen unterwegs ist. Hier im Kloster ist es eher ein Ritual – das Essen, das wir verteilen, wurde schließlich nicht von uns, sondern bereits zuvor von anderen Personen gespendet.

7:00 Uhr Frühstück. Jeder bekommt eine Schale Reis mit wechselnden Arten von Gemüse-Curry, das (vermutlich bewusst) wenig gewürzt ist und zwar “ok”, aber nie wirklich gut schmeckt. Dazu kann man häufig noch etwas Obst oder einen kleinen Keks ergattern 🙂 Getränke stehen in Form von Wasser, Kaffee, Tee und heißer Schokolade immer und unbegrenzt zur Verfügung.

08:00 Uhr Morgenmeditation mit Dharma-Talk. Die Meditation startet mit einer ungefähr einstündigen Geh-Meditation durch das Klostergelände, vorbei an den Kutis der Mönche. Darauf folgt eine dreiviertelstündige Sitzmeditation und schlussendlich der Dharma-Talk. “Dharma” bezeichnet die Lehre Buddhas, die die Mönche versuchen, uns näher zu bringen. Der Dharma-Talk fällt leider besonders morgens immer nur sehr kurz aus, was wohl auch daran liegt, dass der aktuell hierfür zuständige Mönch nicht besonders gut Englisch spricht. In der Regel wechseln sich die Mönche wohl mit den Lehr-Sitzungen ab und der Dharma-Talk des ebenfalls im Kloster lebenden amerikanischen bzw. russischen Mönch sei wohl deutlich ausführlicher. Doch genau in der Zeit, in der wir im Kloster sind, kurieren einige Mönche eine Corona-Erkrankung aus…

10:30 Uhr Food-Offering für das Mittagessen. Der Einfachheit halber übernimmt dies mittags immer nur einer der Klosterschüler, während die anderen der Zeremonie als Zuschauer beiwohnen.

11:00 Uhr Mittagessen und gleichzeitig letzte Mahlzeit des Tages. Die Essensschalen zum Mittagessen sind größer als beim Frühstück und es gibt meist zwei verschiedene Gemüse-Eintöpfe, die gelegentlich noch mit Tofu verfeinert sind. Ansonsten unterscheidet sich das Mittagessen nicht wesentlich vom Frühstück. Die Pause nach dem Mittagessen ist die längste freie Zeit des Tages. Wir nutzen sie, um etwas in der Sonne zu sitzen oder einen Spaziergang über das Klostergelände zu machen. Insgesamt ist der Zeitplan des Tages super abgestimmt. Man hat einen festen Rhythmus, der verhindert, dass man sich langweilt, aber dennoch immer genug Zeit, um alles Neue etwas sacken zu lassen, zu lesen oder entspannt einen Tee zu trinken.

12:50 Uhr Mittagsmeditation mit erneutem Dharma-Talk. Die Route für die Geh-Meditation führt diesmal über einen Waldweg, an den Felsen des schroffen Berges entlang, bis zu einer kleinen Buddha-Statue und ist streckenmäßig deutlich weiter als die Morgen-Runde. Entsprechend sind wir nicht wie morgens im “Gänsemarsch”, sondern in fast normaler Gehgeschwindigkeit unterwegs. Dieses Mal folgt auf die Sitzmeditation noch eine 15-minütige Liegemeditation, bei der wir zu unserer Schande leider mehr als nur einmal leicht eingenickt sind 😉 Der Dharma-Talk ist mittags ausführlicher und wird von einem thailändischen Mönch geleitet, der recht gutes Englisch spricht. Es fällt uns dennoch nicht immer ganz leicht, nachzuvollziehen, was der Mönch uns mit seinen Ausführungen genau sagen möchte. Vermutlich liegt das zumindest teilweise an der Sprachbarriere, aber sicher auch daran, dass uns das Grundwissen der buddhistischen Lehre fehlt und der Mönch verständlicherweise nicht jeden Tag von Null beginnen kann… Wir nehmen uns auf jeden Fall vor, uns im Laufe unserer Reise damit noch einmal ausführlicher zu befassen 🙂

16:00 Uhr Arbeitsstunde, bei der alle angehalten sind, dabei zu helfen, das Gelände und die Wohneinheiten in einem ordentlichen Zustand zu halten. Wir widmen uns in dieser Zeit gerne der Gartenarbeit, die in erster Linie darin besteht, das Laub von den Wegen und Rasenflächen zu entfernen. Echt verrückt, dass jeder Weg schon nach 1-2 Tagen wieder genauso voller Blätter ist, wie vor dem Kehren… ^^

17:00 Uhr eine Stunde Freizeit, die wir mit Spazierengehen, Duschen (die Frauendusche ist morgens regelmäßig dauerbesetzt), Lesen oder einfach nur Ruhen verbringen.

18:00 Uhr Evening Chanting. Es werden buddhistische Texte in einer Art Sprechgesang rezitiert. Jede Zeile zuerst in Pali (der Sakralsprache des Buddhismus, in der die Lehren Buddhas ursprünglich verfasst waren), dann in Thai und schlussendlich auch in Englisch, sodass die weit gereisten Schüler auch etwas von dem verstehen, was sie singen. Hier scheiden sich etwas die Geister – während das Chanting zu meinen Lieblingstagespunkten gehört, empfindet Verena das 45-60 minütige, eintönige Singen von fremdartigen Texten (die auch in der englischen Übersetzung nicht die ganz großen Weisheiten enthalten) eher etwas langweilig 🙂 Danach folgt noch eine Sitzmeditation und ein kurzer Dharma-Talk, bevor der freie Abend eingeläutet wird. Viel ist abends jedoch nicht mehr zu tun und der nächste Morgen beginnt ja auch schon wieder vor dem Sonnenaufgang, sodass wir, wie die meisten anderen auch, schon gegen 20:00 Uhr unseren Schlafplatz aufsuchen. Spätestens ab 21:00 Uhr werden ohnehin alle aufgefordert, sich Richtung Schlafsaal zu bewegen. Verena liest meist noch ein wenig und ich höre noch Hörbuch, bevor mich deutlich vor Mitternacht der Schlaf übermannt. Unsere Handys lassen wir fast durchgehend im Rucksack, zumal es ohnehin kein WLAN gibt. Ein paar Tage “digital detox” hat ohnehin noch keinem geschadet.

Im Kloster geht es grundsätzlich sehr ruhig zu, geredet wird insgesamt sehr wenig und wenn, dann in gedämpfter Tonlage. Für diejenigen, die die Zeit vollständig in Stille verbringen wollen, wie es teilweise auch von buddhistischen Mönchen praktiziert wird, gibt es kleine “Silence-Buttons” zum Anstecken. Wir probieren das auch mal einen Tag aus. Der Mehrwert hält sich aber unserer Ansicht nach in Grenzen.

So richtig lässt sich das Gesamterlebnis und das Gefühl, das sich dabei schon sehr schnell bei uns eingestellt hat auch nicht in Worte fassen und das muss man vielleicht auch überhaupt nicht… In den fünf Tagen, in denen es nur die kleine Welt des Klostergeländes gibt und der Stundenplan unseren gesamten Tag bestimmt, kommen wir auf jeden Fall mehr zu Ruhe als jemals zuvor auf unserer Reise – und das war ein sehr angenehmes Gefühl.


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